Burnout

Unterschiede in der Therapie von Burnout und Erschöpfungs­depression

Der Behandlungs­erfolg bei einem Burnout-Syndrom hängt maßgeblich von der richtigen Diagnose und der darauf abgestimmten Behandlung ab. Ein umgangs­sprachlich bezeichnetes Burnout kann von einem einfachen Erschöpfungs­zustand bis zur schweren Depression reichen. Eine Psychotherapie ist in allen Fällen andauernder psychischer und körperlicher Erschöpfung sinnvoll.

Was ist ein Burnout?

In vielen Fällen eines Burnout-Syndroms handelt es sich um einen Erschöpfungs­zustand (ICD-10 Z73.0). Gemäß der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD) ist diese Diagnose keine psychische Störung, sondern ein Problem bei der Lebens­bewältigung, das zur Beeinträchtigung des Gesund­heits­zustands führt.

Sind die auslösenden Faktoren einschneidende Lebens­veränderungen oder extrem belastende Lebens­ereignisse, wird im Allgemeinen eine Anpassungs­störung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert, die wegen der teilweise depressiven Symptomatik häufig mit einer Depression verwechselt wird.

In wohl den meisten Fällen eines umgangs­sprachlichen Burnouts liegt eine Depression (ICD-10 F32) vor, wobei die depressive Reaktion auf länger andauernden Stress häufig als Erschöpfungs­depression bezeichnet wird. Die Ursache einer stressbedingten Depression ist weniger bei den auslösenden Belastungs­faktoren zu suchen, sondern liegt tiefer in der Psyche der Betroffenen.

Diagnostische Unterschiede zwischen Burnout oder Erschöpfungs­depression

Ein Burnout ist gekenn­zeichnet durch eine andauernde massive körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung, eventuell begleitet von erhöhter Reizbarkeit, Zynismus, Konzentrations­störungen, Schlaf­störungen, Ängsten und körperlichen Beschwerden. Ein wesentliches Merkmal für ein “einfaches” Burnout ist, dass die Betroffenen relativ schnell wieder Freude an Freizeit­aktivitäten haben, sobald sie von den Belastungs­faktoren befreit und in guten zwischen­menschlichen Beziehungen sind.

Hingegen zeigt sich eine Erschöpfungs­depression mit gedrückter Stimmung, Schuld­gefühlen und Gedanken über die eigene Wertlosigkeit. Der Antrieb ist reduziert. Soziale Beziehungen und Interessen werden fast immer vernachlässigt. Die sexuelle Lust ist meist beeinträchtigt. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Häufig ist der Appetit vermindert. Meist treten Schlaf­störungen auf, vorwiegend mit Früherwachen und Morgen­tief. Es kann auch eine innere Unruhe und Rastlosig­keit mit gesteigertem Mitteilungs­bedürfnis (Beklagen, Jammern) vorkommen. Ein wesentliches Kennzeichen für eine Depression ist, dass die Betroffenen keine Freude mehr am Leben haben und kaum zu spielerischen Aktivitäten motiviert werden können.

Zu beachten ist bei dieser Differenzierung, dass sich viele Betroffene nicht eindeutig einer dieser beiden Kategorien zuordnen lassen, sondern beides mehr oder weniger zutrifft.

Ursachen und Auslöser

Auslösend für ein Burnout oder eine Erschöpfungs­depression ist meist eine ständige berufliche oder persönliche Belastung, die zunehmend als Überlastung bzw. Über­forderung empfunden wird, bis zum vollständigen psychischen und körperlichen Zusammen­bruch. Ein schlechtes Arbeits­klima und egozentrische Vorgesetzte können eine berufliche Belastung beträchtlich verstärken.

Hintergründe eines Burnouts

Betroffen von einem Burnout sind vor allem Menschen mit hohem Erfolgs- und Leistungs­anspruch, Perfektionismus und Selbst­über­schätzung sowie jene, die nicht “Nein” sagen können. Oft ist es aber auch die übermäßige Begeisterung für die ausgeübte Tätigkeit und das damit verbundene gestärkte Selbst­ver­trauen, die zur Erschöpfung führen. Wer für eine Sache brennt, kann auch ausbrennen.

Psychodynamisch betrachtet ist die tiefere Ursache eines Burnouts meist ein Autonomie­konflikt und eine rigide neurotische Sublimierung. Ein Autonomie­konflikt ist der Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach Selbst­bestimmung und dem Wunsch nach sozialer Anerkennung. Eine Sublimierung ist das ersatzweise Befriedigen vermeintlich unerfüll­barer Treibwünsche durch eine gesellschaft­lich höher bewertete Ersatzhandlung.

Hintergründe einer Erschöpfungsdepression

Von der Erschöpfungsdepression sind meist Menschen betroffen, die sich selbst vorwiegend über ihre beruflichen oder persönlichen Aufgaben, Engagements und Erfolge definieren, anstatt über gelungene zwischen­menschliche Beziehungen. Die Betroffenen sind meist sehr engagiert oder aufopfernd und fühlen sich dadurch wichtig und wertvoll. Viele Betroffene sind in Helferberufen, pädagogischen Berufen und NGOs zu finden.

Die tiefere Ursache einer depressiven Reaktion auf eine Belastung ist im Allgemeinen eine Bindungs­problematik (nach Gerd Rudolf ein Grund­konflikt der Bindung, der auch depressiver Grund­konflikt genannt wird). Dabei ist das Beziehungs­erleben unsicher, aber auch Selbstwert, Emotions­regulation und Selbst­wahr­nehmung sind beeinträchtigt. Als Ursache werden Verluste oder unsichere Bindungen in der frühen Kindheit vermutet.

Wird das mit der Bindungs­problematik einhergehende Selbstwertdefizit mit übersteigerten Engagements, Selbstaus­beutung und Aufopferung überkompensiert, ist der psychische und körperliche Zusammen­bruch nur eine Frage der Zeit.

Bei der Ursache von Depressionen sind auch genetische, neurobiologische und organische Faktoren zu berücksichtigen.

Psychotherapie

In der psychothera­peutischen Behandlung ist die Unterscheidung zwischen Burnout und Erschöpfungs­depression überaus wichtig. Bei den Betroffenen eines Burnouts kann meist innerhalb weniger Monate ein beachtlicher Therapie­erfolg beobachtet werden, während die Behandlung einer Erschöpfungs­depression in der Regel eine längere Psychotherapie erfordert.

In der Behandlung eines einfachen Burnouts geht es vor allem um die Autonomie- und Identitäts­entwicklung. Den Betroffenen wird (wieder) bewusst gemacht, dass es im Leben nicht um Erfolge, Leistung und soziale Anerkennung geht, sondern um die freudevolle Entfaltung der eigenen Fähig­keiten und gute zwischen­mensch­liche Beziehungen. Im Allgemeinen ist diese Erkenntnis den Betroffenen bewusst, aber sie haben sich im Laufe ihres Lebens immer mehr in das gesellschaft­liche Phänomen der Leistungs­orientierung und in das soziale und berufliche Funktionieren hineinziehen lassen.

Die Psychotherapie einer Erschöpfungs­depression geht hingegen mehr in die Tiefe der Psyche . Zentral ist der Aufbau einer sicheren therapeutischen Beziehung. Im Laufe einer längeren Therapie sollten folgende Themen bearbeitet und in Verbindung mit Erfahrungen aus der Kindheit gebracht werden:

Die Nachreifung von Selbst­bestimmung, Selbstver­antwortung und Selbst­fürsorge ist in allen Fällen von länger andauernden Erschöpfungs­zuständen ein essentielles Thema. Sowohl bei einem einfachen Burnout als auch bei einer Erschöpfungs­depression stellt sich die Frage, warum sich diese Eigen­schaften nicht ausreichend entwickeln konnten und wie stattdessen bedenkliche Ideale, Selbstaus­beutung und schädliche Handlung­smuster entstehen konnten.

Im Laufe der Therapie erkennen und verinnerlichen die Betroffenen, dass sie nicht Gefangene der Umstände sind, sondern selbstbe­stimmt und selbstfür­sorglich ihren eigenen Weg gehen und ihre wahren Bedürfnisse verwirklichen können.

Ärztliche Behandlung

Eine erste Abklärung körperlicher Erkrankungen und organischer Ursachen, die möglicher­weise die psychische Symptomatik beeinflussen, erfolgt beim Hausarzt. Bei einem Burnout bzw. Verdacht auf eine Depression ist im Allgemeinen eine Über­weisung an einen Facharzt für Psychiatrie erforderlich. Nur Psychiater haben die entsprechende Ausbildung und Erfahrung mit der Anwendung von Psychopharmaka.

Meist werden bei einem Burnout Antidepressiva verordnet. Bei mittel­gradigen und schweren Depressionen gehören Antidepressiva zum Behandlungs­standard. Die psychopharma­kologische Therapie ist nur in Verbindung mit Psychotherapie sinnvoll, damit ein nachhaltiger Therapie­erfolg erzielt wird.

Stationäre Behandlung eines Burnouts

Die Notwendig­keit einer stationären Behandlung in einer Psychiatrie bzw. die Zweckmäßig­keit eines mehrwöchigen Therapie­aufenthalts in einer entsprechend dafür spezialisierten Klinik ist durch ein ärztliches oder psychotherapeutisches Gespräch zu klären. Aufgrund der körperlichen Symptome wird das Burnout meist den psychosomatischen Störungen zugeordnet und an psychoso­matischen Kliniken bzw. Abteilungen behandelt. Die stationäre Behandlung einer schweren Depression erfolgt hingegen in der Psychiatrie.

Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, wenn sich die Betroffenen in der Zeit des stationären Aufenthalts ganz auf ihre Therapie und psychische Entwicklung konzentrieren. Berufliche Aktivitäten und persönliche Engagements außerhalb des Behandlungs­settings können allzu sehr von der Therapie ablenken und den Therapieerfolg beeinträchtigen.