Psychotherapie

Wenn psychische Probleme und persönliche Krisen den akademischen Erfolg behindern

Mit Infos über Grundlagen der Psychotherapie, psychothera­peutische Methoden, Kosten­übernahme und Therapeutensuche

Als Wissenschaftlerin und Lehrende bin ich in meiner Arbeit mit Studierenden, Doktoranden und Klienten immer wieder damit konfrontiert, dass Probleme und Krisen im Studium wie Schreib­blockaden, Lern­blockaden, Motivations­tiefs, Prokrastination, Selbst­zweifel, Prüfungs­ängste und Redeangst weniger auf Kompetenz­defizite zurück­zu­führen sind, sondern es deutliche Hinweise auf persönliche und psychische Probleme gibt.

Zwar wirken sich fachliche Unter­stützungen wie Tutoring, Lerncoaching, Wissen­schafts­coaching und Kommunikations­training sehr effektiv auf die Handlungs­kompetenz und das Selbst­vertrauen aus. Aber wenn die persönliche Hinter­grund­problematik unbearbeitet bleibt, werden hohe Anforderungen und schwierige Heraus­forderungen immer wieder zu Belastungs­reaktionen und Krisen führen.

Deshalb empfehle ich in diesen Fällen eine Psychotherapie oder klinisch-psychologische Behandlung. Mit der psychothera­peutischen bzw. psycho­logischen Bearbeitung der zugrunde­liegenden Problematik werden meist auch die akademischen Aufgaben­stellungen leichter, selbst­ständiger und selbst­bewusster bewältigt.

Infos über die wichtigsten Aspekte einer Psychotherapie findest du in der Info­broschüre des Gesund­heits­ministeriums: Psychotherapie – wenn die Seele Hilfe braucht (PDF, 850kB). Zudem habe ich nach­folgend hilf­reiche Informationen zusammen­gestellt, die dir bei der Suche nach dem richtigen Psychotherapeuten helfen können.

Grundlagen der Psychotherapie

Psychotherapie ist ein Heilverfahren für die Behandlung psychischer, psychosomatischer und psychosozialer Leidens­zustände. Psychotherapie hilft bei der Bewältigung psychischer und persönlicher Krisen und bei der Bearbeitung problemtatischer Verhaltens­weisen, kann aber auch als professionelle Begleitung im Selbst­erfahrungsprozess und zur gezielten Persönlich­keits­entwicklung eingesetzt werden.

Im psychotherapeutischen Prozess geht es um Gefühle, Bedürfnisse, Selbst- und Körper­wahr­nehmung, Selbst­bestimmung, Selbst­fürsorge, Selbst­ver­antwortung, Selbst­liebe und vor allem um das Beziehungserleben.

Zentraler Wirkfaktor ist die gelungene psychothera­peutische Beziehung, denn die Fähigkeit, sich auf andere einzu­lassen und mit anderen in Beziehung zu sein, ist von elementarer Bedeutung für die psychische Gesundheit. Der Effekt der psychothera­peutischen Beziehung ist in Wirksam­keits­studien bestens abgesichert.

Angehende Psychotherapeuten erfahren deshalb zuerst eine lang­jährige Psychotherapie an sich selbst und in der Ausbildung wird eine besondere Aufmerksam­keit der fachlich aufgebauten Beziehungs­gestaltung gewidmet.

Die gelungene Beziehung zwischen Patient und Therapeut ermöglicht es dem Patienten, eine bessere Beziehung zu sich selbst zu entwickeln und die eigenen Emotionen gut wahrzu­nehmen und zu benennen.

Durch gezielte Therapie­angebote und das psychothera­peutische Gespräch werden psychische Prozesse, Gefühle und Erfahrungen ins Bewusstsein gebracht, begrifflich erfasst und dem Denken bzw. der Reflexion zugeführt. Das Erlebte, Gefühlte und Gesagte unterliegt dabei keiner Wertung. Deshalb fühlen sich die Patienten in der Therapie angenommen und verstanden.

Auf diese anregende, analytische, reflektierende und wertschätzende Weise können innere Konflikte, psychische Abwehr­mechanismen, problematische Erwartungs­haltungen, schädliche Handlungs­muster, hinderliche Denkmuster, belastende Lebens­ereignisse und tiefere Kränkungen bearbeitet und verarbeitet werden.

In der Folge entwickeln sich neue gesunde Möglich­keiten und Wege, mit sich selbst, mit schmerz­haften Gefühlen und mit anderen Menschen umzugehen.

Risiken und Neben­wirkungen bei einer psychothera­peutischen Behandlung

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung

Ähnlich wie bei Medikamenten und medizinischen Eingriffen muss auch bei einer Psychotherapie mit Neben­wirkungen und unerwünschten Effekten gerechnet werden.

Wissenslücken und unbekanntes Nichtwissen

Manche psychische Themen sind noch nicht ausreichend erforscht oder neue relevante Forschungs­ergebnisse haben noch nicht die Ausbildungs­vereine und Praxen erreicht. Zudem sind einige Themen­bereiche derart komplex, dass es eigentlich eine Zusatz­ausbildung bräuchte, z.B. für die Therapie von Essstörun­gen, für Probleme im späten Jungend- und jungen Erwachsenen­alter oder für das Thema Geschlechts­identität, welches nicht nur bei Transgender-Personen relevant ist, sondern praktisch alle Menschen betrifft.

Ein weiteres Problem ist unbewusstes Nicht­wissen. In diesem Fall glaubt der Therapeut zu wissen, tatsächlich werden jedoch wichtige Fakten aufgrund unbewusster Unkenntnis und unbekannter Defizite übersehen. In der Folge ist die Behandlung unzureichend und mit Fehl­urteilen behaftet. Die meisten Therapeuten haben aber ein Gefühl dafür entwickelt, dass irgend­etwas nicht ganz stimmt bzw. übersehen wird und nehmen in der Folge eine Supervision in Anspruch.

Behandlungsfehler

Psychotherapeuten sind auch nur Menschen und selbst der beste erfahrenste Therapeut kann Fehler machen. Daraus ergeben sich aber selten Probleme in der Therapie, weil die meisten Therapeuten ihre persönlichen und fachlichen Defizite ganz gut kennen umd im Laufe des Arbeits­prozesses die Wider­sprüche, Fehlschlüsse und Irrtümer erkennen.

Problematisch wird es aller­dings, wenn der Psychotherapeut die eigenen Defizite und Fehler aufgrund von Narzissmus und unreifer Abwehr­mechanismen unbewusst nicht eingestehen kann. Meist geben diese Therapeuten dann dem Patienten die Schuld an einer nicht gelungenen Therapie mit der Argumentation “Der Patient habe sich nicht auf die Therapie eingelassen”.

Auch die fehlende Abklärung von körper­lichen Erkrankungen, die möglicher­weise die psychische Symptomatik verursachen, kann zu einer ungeeigneten Behandlung führen. Manche Psychotherapeuten tendieren dazu, in einer psychischen Sympto­matik immer eine psychische Ursache zu vermuten, obwohl zahlreiche Studien zeigen, wie sehr sich körper­liche Erkrankungen wie hormonelle Störungen oder sogar eine gestörte Darm­flora negativ auf das psychische Wohlbefinden auswirken können.

Um Behandlungs­risiken, Neben­wirkungen und Behandlungs­fehler zu minimieren, sind Psychotherapeuten angehalten, regelmäßig Fort­bildungen zu absolvieren, in der Supervision ihre Patienten­fälle zu besprechen und, falls erforderlich, den eigenen psychothera­peutischen Selbster­fahrungs­prozess fortzusetzen.

Psychothera­peutische Methoden

In Österreich sind 23 Psychotherapie­methoden zugelassen. Zulassungs­behörde ist das Bundes­ministerium für Gesundheit. Auf der Webseite des BMG findest du eine Patienten­information über alle in Österreich anerkannten psychothera­peutischen Verfahren (PDF, 250kB).

Die Methoden unterscheiden sich vor allem bezüglich des Menschen­bildes, der Diagnose­stellung, des Zugangs zur Gefühls­welt und der Bearbeitung­weise einer psychischen Problematik. Für den Behandlungs­erfolg hat die Methode eine geringere Bedeutung. Entscheidend ist die gelungene therapeutische Beziehung sowie die Ich-Struktur und Fach­kompetenz des Therapeuten. Die Methode kann aber für die persönlichen Therapie­ziele wichtig sein.

Grundsätzlich lassen sich die 23 Methoden in vier Orientierungen unterteilen:

Aufgrund der tiefer­gehenden Analyse der Psyche dauert eine tiefen­psycho­logisch-psychodynamisch orientierte Psychotherapie im Durch­schnitt deutlich länger als eine verhaltens­therapeutisch, humanistisch-existentiell oder systemische Therapie.

Psychotherapie auf Krankenschein

Die psychothera­peutische Behandlung psychischer und psycho­somatischer Störungen ist aufgrund ihrer wissen­schaft­lich nachge­wiesenen Wirksam­keit und Nachhaltig­keit der ärztlichen Hilfe gleich­gestellt. Damit die Kranken­kassen zahlen, müssen die Klienten allerdings zu Patienten werden, also mit der entsprechenden F-Diagnose gem. ICD-10 Kapitel V (Psychische Störungen F00–F99) als psychisch krank erklärt werden.

Für Psychotherapie gibt es wie bei der ärztlichen Versorgung mit Vertrags­arzt und Wahlarzt ebenfalls zwei Modelle von Kassen­leistungen:

Leider vergeben die Kranken­kassen nur ein sehr einge­schränktes Kontingent an voll finanzierten Therapie­plätzen. Deshalb werden freie Therapie­plätze vorrangig an sozial bedürftige Menschen mit schweren psychischen Störungen vergeben und es muss außer­dem mit einer Warte­zeit von mehreren Monaten gerechnet werden, bis ein Platz frei wird.

Die meisten Patienten müssen sich mit dem Kosten­zuschuss begnügen, der 33,70 Euro bei der ÖGK, 45 Euro bei der SVS und 46,60 Euro bei der BVAEB für eine Einzel­therapie­stunde beträgt. Bei Honoraren für eine Therapie­einheit zwischen 90 und 120 Euro sind das gerade mal ein Drittel der Kosten. Viele Psychotherapeuten bieten einen Sozial­tarif von 60 bis 80 Euro an, wodurch auch für Menschen mit geringem Einkommen die Psychotherapie leistbar wird.

Informationen zur Kosten­über­nahme von Psychotherapie sind auf den Webseiten der jeweiligen Kranken­kassen zu finden. Bei der Notwendigkeit einer Finanzierung der Psychotherapie und bei offenen Fragen kontaktierst du am besten deine Krankenkasse.

Kostenzuschuss für die psychothera­peutische Behandlung

Wenn eine psychische Störung diagnostiziert wird, übernehmen die Kranken­kassen jedenfalls einen Kosten­zuschuss, der nicht an bestimmte Kassen­plätze gebunden ist, sondern für alle Psychotherapien gilt. Die Diagnose einschließlich der Angaben zum Bedarf einer psychothera­peutischen Behandlung erstellt der Psychotherapeut.

Du kannst aller­dings nicht einfach mit der Sozial­versicherungs­karte zur Psycho­therapie gehen und dort einen reduzierten Betrag zahlen, sondern es muss ein Bewilligungs­antrag gestellt werden. Den Antrag musst du vor der elften Therapie­stunde bei der zuständigen Kranken­kasse einreichen. Der Kosten­zuschuss wird für maximal 50 Sitzungen zugesagt. Danach ist ein neuerlicher Antrag zu stellen.

Das von Psychothera­peuten ausgefüllte Beiblatt beinhaltet deine persönlichen Patienten­daten und umfassende Angaben zur psychischen Erkrankung. Antrags­formular (PDF, 140kB)

Spätestens vor der zweiten Psychotherapie­sitzung ist eine ärztliche Unter­suchung erforderlich. Sie dient der Abklärung körper­licher Erkrankungen, die möglicher­weise die psychische Symptomatik verursachen oder beeinflussen. Die ärztliche Bestätigung kann formlos oder mittels Bestätigungs­formular erfolgen.

Der Antrag auf Kosten­erstattung erfolgt mittels Formblatt und den Original­honorar­noten mit genauen Angaben über die erbrachten Leistungen einschließlich Diagnose. Der Betrag wird auf das Konto des Versicherten überwiesen.

Weitere Infos:

Volle Kostenübernahme der Psychotherapie durch die Krankenkassen

Etwa ein Viertel aller eingetragenen Psychotherapeuten bieten eine Psychotherapie auf Krankenschein an. Sie verfügen aber nur über ein sehr einge­schränktes Kontin­gent an voll finanzierten Therapie­plätzen (2 bis 6 Plätze). Es muss deshalb mit einer Warte­zeit von mehreren Monaten gerechnet werden, bis ein Therapie­platz frei wird.

Freie Plätze werden vorrangig an sozial bedürftige Menschen vergeben und meist erhalten nur Patienten mit schweren und schwersten psychischen Störungen eine kostenlose Psychotherapie (Entscheidung liegt beim Therapeuten). Für Kinder- und Jugendliche ist es in einigen Bundesländern (z.B. NÖ) etwas leichter, einen voll finanzierten Therapie­platz zu bekommen.

Zuständig für die Administration dieser kosten­losen psychothera­peutischen Versorgung sind die nach­folgend angeführten Institutionen. Diese führen eine Liste von Therapeuten mit Kranken­kassen­plätzen, an die du dich wenden kannst:

Psychothera­peuten­suche

Empfehlungen

Am einfachsten ist es, zuerst ein Gespräch mit dem vertrauten Hausarzt, einem Facharzt oder einem Psychiater zu führen. Meist kann dort schon festgestellt werden, ob eine Psychotherapie angezeigt ist. Im Falle der Notwendig­keit einer Psycho­therapie kann der Arzt eventuell gleich eine Therapeuten-Empfehlung mitgeben.

Wenn die Inanspruchnahme einer Psychotherapie kein Geheimnis bleiben muss, kannst du auch Freunde, Kollegen, Mitstudierende oder Verwandte fragen, von denen du weißt, dass sie gute Erfahrungen mit einer Psychotherapie gemacht haben.

Google-Suche

Ohne Empfehlungen ist mittlerweile Google die effektivste Hilfe bei der Psychothera­peuten­suche. Gib auf der Google-Website im Suchfeld “Psychotherapie” sowie den Ort und das Störungs­bild (z.B. Essstörung) ein.

Nimm dir Zeit zum Recherchieren und schau dir nicht nur die Such­ergebnisse auf der ersten Seite an. Beachte, dass Such­ergebnisse auf vorderen Plätzen nichts über die Kompetenz des Psychotherapeuten aussagt, sondern eher etwas über den Aufwand für das Erstellen der Webseiten­inhalte und für die Such­maschinen­optimierung.

Online-Portale

Im Internet stehen außerdem einige Online-Daten­banken für die Therapeuten­suche zur Verfügung. Der Österreichische Bundes­verband für Psychotherapie stellt ein Online-Portal ihrer Mitglieder zur Verfügung, wobei hier aber nicht alle Psychothera­peuten einge­tragen sind, weil die Mitglied­schaft im ÖBVP freiwillig ist.

Ferner gibt es einige kommerzielle Online-Portale. Allerdings ist im Gegensatz zur Google-Suche bei der Sichtbar­keit der Ergebnis-Listung relevant, ob es sich um eine bezahlte Eintragung handelt. Der Großteil der Psychotherapeuten begnügt sich in diesen Verzeichnissen mit einer nachge­reihten unscheinbaren Gratis­ein­tragung. Außerdem sind viele in diesen Online-Portalen gar nicht registriert oder der Eintrag ist nicht mehr aktuell. Hingegen hat praktisch jeder in freier Praxis tätige Psycho­therapeut eine aktuelle Webseite und ist über die Such­maschinen direkt auffindbar.

Informationen auf der Webseite des Therapeuten

Anhand von Informationen auf der Webseite der Psychotherapeuten ist schon eine Auswahl nach Kriterien wie Arbeits­schwer­punkte, Methode, Ausbildung, Berufs­erfahrung, Praxis­lage und Kosten möglich.

Lass dich aber nicht von der hoch­professio­nellen stilvollen Gestaltung einer Webseite blenden, sondern achte mehr auf die Inhalte, z.B. ob die Speziali­sierungen zu deiner Problematik passt und der Lebens­lauf des Therapeuten dich anspricht.

Achte außerdem darauf, ob das Stunden­honorar zu deinem Budget passt, denn eine finanzielle Über­forderung kann den Therapie­erfolg beeinträchtigen. Die Höhe des Stunden­honorars sagt über den zu erwartenden Therapie­erfolg ohnehin nur wenig bis nichts aus. Ein Psychotherapeut in Ausbildung mit einem Stunden­honorar von 30 Euro kann besser für dein Anliegen passen, als ein langjährig tätiger Psychothera­peut, der 120 Euro für eine Therapie­stunde verlangt.

Ob der Therapeut “passt” und ausreichend mit deiner Problematik und Persönlich­keits­struktur vertraut ist, kannst du im Erst­gespräch klären.

Erstgespräch

Im Rahmen des psychothera­peutischen Erstgesprächs können sich Patient und Therapeut kennen lernen und feststellen, ob eine gute Zusammen­arbeit möglich ist. Bedenke, dass der Behandlungserfolg einer Psychotherapie vor allem von der gelungenen psychothera­peutischen Beziehung und einfühl­samen Bearbeitung der psychischen Problematik abhängt. Wenn du beim Erst­gespräch ein gutes Gefühl hast und du dich verstanden und willkommen fühlen, bist du in den meisten Fällen an der richtigen Stelle.

Das Erstgespräch ist beiderseits unverbindlich, d.h. es entsteht keine rechtliche oder moralische Verpflichtung, eine Therapie zu beginnen. Wenn es beim ersten Erst­ge­spräch nicht gleich “funkt”, scheue dich nicht, mit verschiedenen Therapeuten zu sprechen und in der Folge dort die Therapie zu machen, wo du dich am wohlsten fühlst.